Verträgliches bauen + gestalten
Das unbehagen am zeitgenössischen bauen
Neue einfachheit
Um die jahrtausendwende mehrten sich die anstrengungen die grundlagen der architektur bzw. des bauens neu zu überdenken. So wurde nach einer aera der „postmoderne“ mit dem motto „was gefällt ist auch erlaubt“ die forderung nach einer architektur der „neuen einfachheit“ laut. Die stars der damaligen szene, wie der berliner architekt hans kollhoff, forderten eine steinerne architektur der rigiden einfachheit. Der damalige leiter des architekturmuseums in frankfurt vittorio magnago lampugnani forderte mit dem verweis auf die zerstörung unserer städte durch die architektonischen experimente der nachkriegszeit eine rückkehr zu „einfachheit, dichte, schweigen, ordnung, konvention und dauer“. Die architekten diener & diener basel oder architekt zumthor chur, um nur zwei architekten aus der schweizer szene zu nennen, demonstrierten mit bauten von hoher qualität, was sie unter „neuer einfachheit“ verstehen, und wie es ihnen gelingt, durch konstruktive auseinandersetzung mit der klassischen moderne, eine rationale bauphilosophie der „leiseren töne“ zu erreichen. Auch der ende 1994 verstorbene schweizer architekt und künstler max bill hat sich mit seinem letzten projekt „atelierhaus an der pegnitz“ in nürnberg der tradition des bauhauses und des „neuen bauens“ der 20er jahre verpflichtet gefühlt.
Die massenhaft erstellten betonkisten der 60er jahre und die plattenbauten der DDR, denen man eine gewisse einfachheit nicht absprechen kann, zeigen, dass es allein mit dem ruf nach einfachheit noch nicht getan ist. Nicht von ungefähr wurde diese auseinandersetzung um die „neue einfachheit“ am heftigsten in der architekturdiskussion um das „steinerne berlin“ im zusammenhang mit den neuplanungen für die deutsche hauptstadt geführt wurde. Dass dabei der begriff des „tektonischen“ wieder eingeführt wurde, hat einerseits mit der „neuen einfachheit“ zu tun, weil das „tektonische“ auf eine architekturauffassung hinweist, die auf gutem, solidem handwerk und den praktischen fähigkeiten des baumeisters aufbaut. Andererseits werden damit preussische traditionen und tugenden wie dauerhaftigkeit und solidität, aber auch archiekturtheorien des 19. Jahrhunderts in preussen (schinkel) wieder wach. So soll an die scheinbar verlorene tradition des „guten bauens“ wieder angeknüpft werden. dabei soll ausdrücklich vermerkt werden, dass neben der einfachheit auch die schönheit (lampugnani) eingefordert wurde., und kenneth frampton hält in seinem werk „grundlagen der architektur“, fest, dass sich ohne philosophische basis kaum eine architekturtheorie halten kann. ihr bemühen und ihr unbehagen an der krise steht in einer langen tradition von manifesten der architekturtheorie. Für die krise gibt es aber auch neben den theoretischen, ganz handfeste, wirtschaftliche und historische gründe einer negativen entwicklung, dass es soweit gekommen war.
Die negative entwicklung
Ersatzbaustoffe und der niedergang des bauhandwerks
In der nachkriegszeit hat sich beim hausbau, zumal beim wohnungsbau, fast unbemerkt, eine revolutionäre umwälzung vollzogen. Bestand noch vor dem krieg ein wohnhaus zu 80% aus holz, war dieser anteil anfang der 50er jahre auf ganze 20% gesunken. Der holzmangel der kriegs- und nachkriegszeit hatte die bauzulieferindustrie gezwungen ersatzbaustoffe zu entwickeln, und als holz wieder in ausreichendem masse zur verfügung stand, konnten sich die ersatzbaustoffe gegenüber dem holz behaupten. Die ersatzbaustoffe liessen sich scheinbar leichter bearbeiten und galten als unterhaltsfreundlicher. Mit dieser entwicklung einher ging ein gewisser verlust an handwerklichen fähigkeiten, da die alten werkstoffe nicht mehr verarbeitet wurden. Das einsetzende wirtschaftswunder schuf neue attraktive arbeitsplätze in industrie und gewerbe, zog die baufachleute in die industriehallen und werkstätten. Ungelernte kräfte mussten den mangel auf den baustellen ausgleichen. Neue techniken wurden entwickelt, die auch von ungelernten arbeitskräften beherrscht werden konnten. Die solide handwerkskunst, die lampugnani einforderte, ging schon 50 jahre davor verloren. Die stetig steigende nachfrage nach wohraum verstärkte diesen trend. Quantititätsdenken und fortschrittsgläubigkeit. PVC und formaldehyd setzten zu ihrem siegeszug an bei bodenbelägen, textilien und verkleidungen aller art. Asbestisolationen wurden eingebaut. Erst jahrzehnte später wurden die neuen baustoffe als wohnungsgifte entlarvt und ihre zum teil krebserzeugende wirkung erkannt. Nachdem die grösste wohnungsnot gedeckt war, stiegen die bedürfnisse an quanitativen verbesserung. Dabei ging es um mehr m2 wohnfläche pro bewohner, einem höheren technischen standard und wohnkomfort. Die eigentlichen qualitativen verbesserungen wurden ausser acht gelassen. Bauland war inzwischen knapp geworden . zersiedelung der landschaft und landverbrauch wurde zum thema. Die bauindustrie musste weiterverdienen und wurde auch schnell fündig. Die bestehende altbausubstanz und die nach dem krieg schnell hochgezogenen bauten soltten saniert und instandgesetzt werden.
Die sanitäre instandsetzung
Bei der beseitigung der wohnungsnot nach dem krieg hatten bad und wc keinen grossen stellenwert. Zumeist fehlten auch die infrastrukturellen voraussetzungen. Die meisten gemeinden hatten kein kanalisationsnetz, geschweige denn kläranlagen. Inzwischen war das ausgebaut und das plumpsklo mit grube konnte als wc mit druckspüler an die öffentliche kanalisation angeschlossen werden. Das sanitärgewerbe boomte. Die bausparkassen setzten auf umbau und ausbau um die rückläufigen neubauzahlen auszugleichen. Die eigentumswohnung wurde erfunden, sanitär gestylt, und fand alsbald ihre abnehmer. Die küchenbauer wollten dem nicht nachstehen und brachten die einbauküche auf den markt. Als „frankfurter küche“ lag sie schon seit ende der 20er jahre in der schublade. Küchen und bäder nehmen seither in den einschlägigen architekturzeitschriften einen breiten raum ein, und die werbung versuchte dem konsumenten klar zu machen, wieviel seiner defizite er mit einem neuen bad und einer neuen küche ausgleichen kann.
Die energietechnische instandsetzung
Für das heizungsgewerbe kam die energiekrise 1972 wie gerufen. Die niedertemperaturheizung war schon entwickelt. Nun konnte sie samt niedertemeperaturkessel, elektronisch gesteuert, eingesetzt werden. Der in luxusbädern und einbauküchen zum saubermann und zur sauberfrau erzogene konsument wurde als energieschleuder denunziert und zum energiesparen sensibilisiert. Für das baugewerbe und die zulieferindustrie tat sich ein riesenmarkt auf. die energietechnische instandsetzung bedingte nicht nur nur den einbau von neuen apparaten. Fassaden mussten isoliert und neu verkleidet werden. fenster wurden durch solche mit besserer wärmedämmung ersetzt. Hausleittechniken und neue wärmeerzeugungsanlagen wurden entwickelt. Der inovation schien keine grenze gesetzt. Energiebilanzen und renditeberechnungen wurden erstellt – bei einem 10 fachen ölpreis rechnete sich jede investition. Die chancen die sich dabei ergeben hätten wurden vertan. Durch die energietechnische sanierung wurden die altbauten verunstaltet. Berater mit neuem spezialwissen traten auf den plan und machten dem architekten projektführung streitig. Seitdem treiben sie ihr unwesen als bauherrenvertreter, projektsteuerer und sonstige spezialisten – die architekten liessen es mit sich geschehen. Es kam zur babylonischen sparchverwirrung auf dem bau. Wieder einmal ging eine ganzheit verloren. Spezialisten, nicht mehr verantwortlich für das ganze, verloren vor lauter einzelproblemen das ziel und den menschen aus den augen. Die tradition des „guten bauens“ war noch mehr ins abseits geraten. Damit war die nächste instandsetzungsrunde schon vorprogrammiert, und der schaden der energietechnischen instandsetzung war gross.
Die ökologische instandsetzung
Durch die ersatzbaustoffe der 50er jahre mit ihren PVC-, asbest- und formaldehydanteilen hatte sich das wohnliche umfeld verschlechtert. Solange die häuser noch über fugen zwangsbelüftet wurden, konnten die wohngifte ihre volle wirkung nicht entfalten. Bei vollisolierten und hermetisch abgedichteten wohnungen kamen sie voll zum einsatz. Hinzu kam, dass die energietechnokraten nicht zu ende gedacht hatten. Die durch ihre sanierungen hervorgerufenen bauphysikalischen mängel wie schwitzwasserbildung, flachdachschäden, mangelnde diffusion der raumumschliessenden elemente, um nur einige der mängel zu nennen, verschlechterten im verein mit den voll zur wirkung gebrachten wohngiften der ersatzbaustoffe das wohnliche umfeld und das umfeld am arbeitsfeld immer mehr. Die auf technokratische konzepte und naturwissenschaftliches tabellenwissen eingeschworenen spezialisten warteten immer mit neuen theorien und konzepten auf, die zumeist den vorhergehenden widersprüchlich waren. Das „gute bauen“ und das „solide handwerk“ waren traditionen, die inzwischen der vergangenheit angehörten. Die defizite in wohn- und arbeitsfeld waren trotz aller quantitativen verbesserungen, oder gerade deshalb, ständig grösser geworden. Spätestens jetzt sollte klar geworden sein, das ein neuer positiver ansatz geworden war. Den spezialisten kam zu hilfem dass die problem inzwischen weltweit und global angewachsen waren und ständig aus dem ruder liefen. Vor den grossen katastrophen der erwärmung der erdatmosphäre, der vergrösserung des ozonlochs erschien das unbehagen an wohn- und arbeitswelt niedlich und klein. Sie hatten doch recht gehabt mit ihren massnahmen zur verminderung des CO2 ausstosses, das heisst doch energietechnische instandsetzung . sicher hätten sie auch fehler gemacht, aber das lässt sich doch richten, eine ganzheitliche methode musste her, eine globale steuerung – neue ökologische konzepte. Und wieder war ein riesendeal angesagt, die ökoöogische instandsetzung. Alles kann repariert werden durch noch ausgefeiltere technik, noch aufwendigeren konstruktionen und noch teueren materialien. Eine schraube ohne ende. Der mensch bleibt dabei auf der strecke, und mit auf der strecke bleibt die befriedigung seiner ureigensten bedürfnisse, sein anspruch auf schutz und geborgenheit, wohlbefinden, verbundenheit mit der natur, wohlergehen, gemeinschaft und sebstverwirklichung.
Der positive ansatz
Der mensch in seinen grundbedürfnissen
Anspruch auf schutz und geborgenheit
Auf der erde gibt es nur wenig natürliche klimazonen, wo hinsichtlich temperatur, feuchtigkeit, schall und licht, bedingungen herrschen, die den menschlichen bedürfnissen entsprechen. Daher errichtet der mensch seit urzeiten schutzbauten, um sich gegen ungünstiges naturklima zu schützen. Der mensch schafft sich neben der kleidung mit seinen schutzbauten eine schutzhülle, die seinen humanen und bioklimatischen ansprüchen entspricht. erst mit dieser klimaschutzhülle war es dem menschen möglich das für ihn ideale klima der afrikanischen savanne zu verlassen und die erde zu besiedeln. Die für den menschlichen organismus verträglichen äusseren bedingungen sind davon abhängig, dass bestimmte physiologische genzwerte überschritten werden. die nackte haut des menschen braucht eine mitllere strahlungstemperatur von 22 – 25° C, weil die kerntemperatur des körpers bei 37° C fest ist, damit die komplizierten lebensvorgänge, die das Ueberleben sichern, stattfinden können. Das wahrnehmungsvermögen des menschlichen auges beginnt bei weniger als 1 lux und kann seine netzhaut bis ca. 100.000 lux anpassen. ( 1 lux entspricht 1 kerze, 10.000 lux entsprechen den bedingungen bei bedecktem himmel und 100.000 lux im vollen sonnenschein). Das trommelfell des menschlichen gehörs beginnt bei 10 db wahrzunehmen und wird bei vollem lärm eines düsentriebwerks zerstört. Die belastungsmöglichkeit der wahrnehmungsorgane des menschen wie haut, netzhaut und trommelfell aber auch die schleinhäute der nase und des mundes, die geschmack und gerüchte wahrnehmen, sind unterschiedlich. Am engsten begrenzt ist das temperaturmilieu und entsprechend gross ist der schutzaufwand dies zu sichern. Die aufwendungen beim lichtmilieu sind am geringsten. Wann wird schutz zu geborgenheit? Gemeint ist die geborgenheit, die durch eine materielle umgebung vermittelt werden kann. Es muss etwas hinzukommen, was die sinnlich wahrgenommenen eindrücke bewusst macht, eine sinnstiftung muss stattfinden. Hans soeder zitiert in seinem buch „urformen der abendländischen baukunst“ die aufzeichnungen von john neidhart „ich rufe mein volk“ , in denen der hochbetagte indianer häuptling „schwarzer hirsch“ den verlust der runden stammeszelte, der tippis, beklagt: „sie zimmerten die kleinen grauen blockhäuser, die ihr da seht...... es ist eine schlechte art zu wohnen, denn in einem viereck kann keine kraft wirksam sein...... ein indianer berücksichtigt in allem, was er unternimmt, die kreisform, weil die kraft der welt sich stets in kreisen auswirkt..... eines menschen leben ist ein kreis von kindheit zu kindheit, vom sonnenuafgang zum sonnenuntergang, und so verhält es sich mit allem , darin sich kraft regt...... aber die weissen haben uns diese viereckigen kisten gebaut. Unsere kraft ist vergangen.....“. Von dieser klage unterscheidet sich grundlegend, was hans soeder einen italienischen generalstabsoffizier aus dem krieg in abessinien erzählen lässt. Ueberall in abessinien, wo es seine aufgaben erforderten, wurden für ihn die landesüblichen rundhütten errichtet. Aber für einen menschen aus lateinischer kultur war auf die dauer der aufenthalt in runden häusern unerträglich. Diese sich ausschliessenden seinsformen im runden oder viereckigen haus machen deutlich wie geistig-seelische leitbilder mitbestimmend sind, das der mensch sich wohl und geborgen fühlt.
Anspruch auf sinn
Hans soeder weist weiterhin nach, dass hausformen nicht durch die lokalen werkstoffvorkommen bestimmt sind. Auch der grundsatz neuerer siedlungsforschung, dass hausformen von sachkultur und wirtschaftsform abhängig seien, hält hans soeder nur für begrenzt richtig. Mit seinen bauaufnahmen weist er nach, das im einheitlich durchgebildeten wirtschaftsraum italien unmittelbar nebeneinander zahlreich verschiedenartige hausformen auftreten können und hält daran fest, dass nicht materielle umstände sondern geistig-seelische leitbilder der eingewanderten vorfahren bis heute weiterwirken und bewirken, dass die nachfahren unbeirrbar am baugedanken ihrer herkunft und vorfahren festhalten. Als beispiel führt er an, dass das grosszügige reformwerk zur hebung des lebenstandards in süditalien mancherorts auf schwierigkeiten gestossen sei, weil die technischen planer von raumgefühl und den seelischen daseinskräften der alten volksreste nicht genügend gewusst hätten. Dies ausführungen machen deutlich, dass neben den ökonomischen bedingungen eines bauwerks die ansprüche des menschen nach schutz zu erfüllen, sinngebende bedingungen hinzukommen müssen, die im seelisch-geistigen wesen des menschen begründet sind. Diese bedingungen prägen die form des raumes, die farbgestaltung, auch die klanggestaltung (akustik eines raumes) und die dreidimensionalen und plastischen teile und oberflächen eines raumes. All dies nimmt der mensch mit seinen sinnen wahr und wird sich in seinem inneren darüber bewusst. Aber sieht nicht nur, er tastet, er schmeckt und hört. Er erfährt den raum auch in seiner bewegung beim gehen, schreiten, beim tanz, im beobachten des mitmenschen, seines tanzes, des theaters, der musik und in der kommunikation. Damit kommt zum ausdruck, dass der anspruch auf sinn auch etwas mit dem anspruch auf gemeinschaft zu tun haben muss.
Mit der entwicklung der künste macht sich der mensch über seine sinnliche wahrnehmung, über mass und ordnung bewusst – nicht nur im tanz und in der musik, auch in der messung der zeit und vor allem in der gliederung des raumes. Die untersuchungen der massverhältnisse von steinzeitlichen höhlenbildern in lascaux und in altamira haben ergeben, dass bei nicht weinigen tierarten, unabhängig von der tierart, das verhältnis der höhe zur länge dem proportionsschlüssel „goldener schnitt“ entspricht, der bisher nur aus der antike und renaissance bekannt war . damit ist gewiss, dass es sich nicht nur um irgendeine ordnung handelt, sondern um eine ordnung, der sich der mensch bewusst ist, einer grundlegenden ästhetischen ordnung. in den urformen des bauens verwirklicht der mensch innere formvorstellungen schreibt hans schroeder, welche der räumlichen geometrie folgen. Dabei beschreibt er eine evolution in formstufen com kreis über das oval zum grundriss mit apsis, aus dem sich bei begradigung ein rechteck oder quadrat ergibt. Spirale. Kreis, und quadrat sind die reinen geometrischen bilder, die einst magische bedeutung hatten. Sie kommen vor auf felszeichnungen der val carmonica (siehe bosshard) und sind verwirklicht in den grundrissen der spätantiken und mittelalterlichen kultbauten. Die raumform ist deshalb zugleich ein materielles (schützendes), ästhetisches und symbolisches gebilde. Dieses prinzip spiegelt sich nicht nur in der aussenform eines urtümlichen hauses wieder, sondern auch in seiner struktur. So können unterschiedliche konstruktionen von hausformen entstehen. Je nachdem, ob die feuerstätte in der mitte eines kegelförmigen hauses angeordnet ist, oder ob an dieser stelle ein mittelpfosten steht mit entsprechender exzentrischer anordnung der feuerstelle, wobei dem mittelpfosten eine ganz eigene symbolische bedeutung zukommt. Geometrische grundgesetze sind im menschen zweifach angelegt, meint hans soeder, im bau seines körpers, wie in seiner fähigkeit zur vorstellung von räumlicher ordnungen. Der menschliche körper ist nach geometrischen achsen aufgebaut. Entsprechend hat der mensch stätten geometrischer gestalt gebaut, die jede einer bestimmten physisch seelischen haltung ausdruck geben. Ein richtungsloser rundraum wirkt als ein ort der entspannung und sammlung. Ein ovaler raum umschliesst zwei orte der begegnungen. Die raumgestalt der apsis ist die der verkündigung. Ein breitraum wird zum ort der vorbereitung. Ein langraum zum weg der hinführung. Raumformen vereinigen sich im quadrat – der vierung – zur stätte kultische geordeneter sammlung.
Anspruch auf gemeinschaft
Noch bevor der mensch begann die künste zu entwickeln und in den werken der musik, malerei, bildhauerei, tanz und architektur anfing die gesetzesmässigkeit des kosmos und den sinn seines lebens darzustellen, spielte der mensch spiele, feierte feste und hat durch gemeinsam begangene feste sein selbstverständnis gefunden und sich in den verschiedensten gruppen formiert. Die daraus entstandenen riten und traditionen wirken bis heute nach, sei es im fest der heiligen messe oder auch bei deb olympischen spielen. Ganz abgesehen davon, dass der mensch nur in der gemeinschaft einer gruppe, sippe oder dorfgemeinschaft sich in der feindlichen umwelt behaupten konnte, hat erst in der bewusst erlebten gemeinschaft seine identität, seinen verhaltenskodex und seine kultur entwickelt. Wenn heute soviel vom kulturellen aushöhlungsprozess und vom verlust der lebensqualität, dann hängt das unter anderem auch damit zusammen, dass die kunst der sinnvollen spiele, des sinngebenden festefeierns, des qualifizierten essens und trinkens, der muse und der besinnung in der gemeinschaft zum teil verloren gegangen ist. das liegt nicht nur daran, dass durch massenproduktion von kommunikationstechniken wie fernsehen usw. diese erlebnisse zur konsumware verkommen sind und damit den eigenen wahrnehmungserlebnissen keine zeit und keine muse mehr gelassen wird, sondern es fehlt auch der raum, in dem der anspruch auf eigene kommunikation, behebung und gemeinschaft befriedigt werden könnte.
Anspruch auf naturverbundenheit
Der mensch erlebt nicht nur den raum, dem er eine eigene ordnung gab, sondern natur und kosmos, wo er eine andere ordnung, eine göttliche, verwirklicht sah. In den ersten grossen kunstwerken der steinzeit, wie etwa in stonehenge, stellte er diese göttliche ordnung der natur und des kosmos dar. Er wurde sich darüber bewusst, dass diese ordnung, wie sie im makrokosmos wirkt bis ins kleinste im mikrokosmos weiterwirkt. Zur darstellung dieser ordnung entwickelte er die wissenschaften. In der naturverbundenheit bewahrte er sich die freudige wahrnehmung seiner sinne an die natur, die er fühlend, schmeckend, und hörend wahrnimmt. Die erkenntnis der schönheit der natur führte ihn zur erkenntnis der schönheit auch in den dingen, die er selbst geschaffen hat. Erst das sich bewusstwerden über ordnung und schönheit lässt ihn zum kulturschaffenden, schöpferischen menschen werden. die alten naturreligionen verdeutlichen die verbundenheit des menschen mit natur und kosmos, wenn der mensch die natur und die gottheit oder gestirne mit göttern gleichsetzt.
Anspruch auf selbstverwirklichung
Im anspruch auf selbstverwirklichung sind die ansprüche auf schutz, geborgenheit, sinn, gemeinschaft und naturverbundenheit enthalten und kann erst in der summe der erfüllung dieser ansprüche die selbstverwirklichung ermöglichen. Egal ob der mensch seine selbstverwirklichung in einer grösstmöglichen bescheidenheit in der klosterzelle oder als vielbewunderter schauspieler auf der theaterbühne findet. Vorausgesetzt ist sein freier wille, bzw. die erkenntnis, was sein freier wille ist. Die verfassungen der demokratischen staaten garantieren ihm diese freiheit. Trotzdem ist sein leben auch in der freiesten gesellschaft nicht frei von fremdbestimmung und manipulation. In der gemeinschaft muss er sich bestimmten regeln anpassen und in seinem konsumverhalten wird er von der werbung und der meinungslenkung der medien beeinflusst. Inwieweit er sich das gefallen lässt, hat mit der kritikfähigkeit seines verstandes, seiner bildung und der wahrnehmungsfähigkeit seiner sinne und seines bewusstseins zu tun. In unserem zusammenhang interessiert der schöpferische, kreative und bewusste mensch, der seine stelle in der von ihm erkannten ordnung in natur und gemeinschaft einnimmt und verantwortlich handelt. Darin ist der anspruch nach sinn enthalten und sollte sein streben nach selbstverwirklichung vorgeben, gleichgültig ob er seine einsichten aus wissenschaftlichen, religiösen, philosophischen oder ethischen grundlagen bezieht. Die grenzen seiner selbstverwirklichung wird er in der verträglichkeit seines handelns der natur und der gemeinschaft gegenüber erkennen, d.h. dass er umgekehrt sich nur selbst verwirklichen kann, wenn er dabei die gewissheit hat, dass er sich der natur und der gemeinschaft gegenüber verträglich verhält.